Dieses wirft noch immer Fragen auf. Kurze Zeit nach seinem Einzug in den Elysee- Palast schloss Sarkozy Handelsabkommen mit Libyen und empfing Gaddafi mit allen militärischen Ehren, andere Hauptstädte und Staatsoberhäupter der EU folgten unmittelbar. "Er ist nur wegen meiner finanziellen Unterstützung Präsident geworden", pflegte Gaddafi regelmäßig zu behaupten, wenn die Rede auf den damaligen französischen Präsidenten kam. Auch noch - oder gerade - kurz nachdem Beginn des Aufstandes in Libyen. Die Begründung für die westliche Intervention in Libyen durch Sarkozy war damals schon abenteuerlich genug.

Die Rolle Bernard-Henri Lévys

Der französische Mode-Philosoph Bernard-Henri Lévy, in der Bussi-Szene von Paris auch als BHL bekannt, soll damals Sarkozy bedrängt haben, seine angeblichen Freunde in Benghazi vor Gaddafis Truppen zu schützen. Lévy, einst eine Ikone der französischen 68er-Bewegung, nahm später die Pseudo-Fortschrittlichkeit der linken Intelligenz ins Visier und verdammte den marxistischen Totalitarismus.

Doch seine Menschenrechtsdoktrin erinnert in ihrer Rigorosität und Fortschrittsgläubigkeit an seine verblassten marxistischen Dogmen früherer Tage, ein Phänomen, welches ja nicht nur in Frankreich zu beobachten ist. Der Sturz Gaddafis, dessen brutale Ermordung, führte schließlich zu einem "failed state" am Mittelmeer, vor den Toren Europas.

Libyen ist heute im Grunde in seine aus der Antike bekannten geographischen Bestandteile zerfallen, in Tripolitanien und die Cyrenaika. In der libyschen Hauptstadt Tripolis sind dieser Tage Kämpfe unter Milizen ausgebrochen, die bisher mit der von der UNO unterstützten Einheitsregierung zusammengearbeitet hatten und von ihr finanziert wurden.

Geht es um die Kontrolle des Flughafens von Mitiga?

Auslöser der Kämpfe war ein Zusammenstoß an einer der Barrikaden, „check points“ genannt, mit denen die Milizen ihre Herrschaftsgebiete gegeneinander abgrenzen. Die Miliz, die sich Siebte Brigade nennt, und oft einfach als die „Tarhuna Miliz“ bezeichnet wird, warf anderen Milizen vor, einige ihrer Mitglieder seien entführt worden. Beide Milizen stehen theoretisch im Sold der Zentralregierung, beide gelten als "islamistisch".

Die Auseinandersetzungen vom Montag veranlassten die Tarhuna- Miliz zu einer Offensive in Richtung Südtripolis überzugehen. Dort, in den südlichen Vorstädten leben viele Migranten aus Tarhuna. Durch den Vorstoß soll wohl der Machtbereich der Tarhuna-Miliz ausgedehnt werden und die Kontrolle über Mitiga verstärkt werden.

Mitiga ist ein ehemaliger amerikanischer Militärflughafen, der zu Zeiten Gaddafis nationalisiert wurde und zur libyschen Luftbasis umgebaut wurde. Diesem Flugplatz kommt eine mächtige Bedeutung zu, da der internationale Flughafen von Tripolis in den Kämpfen von 2014 zerstört wurde. Mitiga wurde dadurch zum Zivilflughafen der libyschen Hauptstadt.

Durch die Kampfhandlungen der letzten Tage wurden alle Flüge nach Mitiga eingestellt, und damit die Flugverbindung in die libysche Hauptstadt. Drei Flugzeuge der Gesellschaft „Al-Afriqiyah“ sollen zerstört worden sein, acht andere Passagierflugzeuge beschädigt. Die noch flugfähigen wurden ausgeflogen. Alle Schulen in der Hauptstadt wurden geschlossen. Ministerpräsident Sarradsch von der „Einheitsregierung“ rief einen lokalen Notstand für Tripolis aus.

Beobachter vor Ort beschreiben eine dramatische Ausgangslage.

Unrealistische Pläne der UNO

Die UNO-Mission forderte einen Waffenstillstand. Nach den utopisch klingenden Plänen der UNO sollen noch diesen Herbst Wahlen in ganz Libyen stattfinden, um eine Vereinigung der drei gegenwärtig bestehenden Regierungen zu erreichen. Doch in der Praxis sind solche Wahlen in Frage gestellt, aufgrund der Macht der Milizen, von denen die Regierungen abhängig sind.

Erschwerend kommt hinzu, dass das ost-libysche Parlament von Tobruk, das unter dem Einfluss der Milizen des Generals Haftar steht, die sich „Nationale Armee“ von Libyen nennen, den UNO-Vorschlag eines Zusammenschlusses mit der Einheitsregierung von Tripolis, um die Wahlen gemeinsam durchzuführen, noch immer nicht angenommen hat. Die Milizen im heutigen Libyen sind nicht nur ein politischer Machtfaktor, sondern auch ein wirtschaftlicher.

Der Schwarzmarkt für Dollars und andere ausländische Währungen wird von ihnen beherrscht. Wer jetzt den Eindruck gewinnt, der vom Westen forcierte Sturz Gaddafis hat zu einem heillosen Chaos geführt, zu einer tribalisierten Milizenherrschaft, zu einem Somalia am Mittelmeer, vor den Toren Europas, der bekommt eine Ahnung davon, was in Syrien geblüht hätte, ohne das Eingreifen Moskaus und Teherans.

"Ihr sollt mich recht verstehen. Wenn ihr mich bedrängt und destabilisieren wollt, werdet ihr Verwirrung stiften, Bin Laden in die Hände spielen und bewaffnete Rebellenhaufen begünstigen. Folgendes wird sich ereignen. Ihr werdet von einer Immigrationswelle aus Afrika überschwemmt werden, die von Libyen aus nach Europa überschwappt. Es wird niemand mehr da sein, um sie aufzuhalten."

Diese Worte äußerte der libysche Diktator Muammar al-Gaddafi, in einem Interview mit dem französischen Journal du Dimanche im Februar 2011. Als er diese Worte tätigte, konnte Gaddafi nicht ahnen, dass er selbst im Oktober des gleichen Jahres als Flüchtling im eigenen Land ein grausames Ende finden würde.

Frankreichs Ex-Präsident Sarkozy ist übrigens noch auf freiem Fuß.

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